Eigenbedarfskündigung einer Studenten-WG im Herzen von Thüringen

Objekt

Titel

Eigenbedarfskündigung einer Studenten-WG im Herzen von Thüringen

Beschreibung

Mit etwas Abstand dieser hoffentlich einmaligen Situation haben sich die Emotionen wieder etwas gelegt. Doch diese Zeit war sehr nervenaufreibend für alle Beteiligten - je nach dem, welche Perspektive man einnehmen möchte. :) Meine Situation war jene, dass ich im Februar 2020 - als Corona zwar schon in den Nachrichten kusierte, aber in Europa noch nicht das große Thema war - eine Eigenbedarfskündigung des neuen Eigentümers in der WG, in der ich zu diesem Zeitpunkt lebte, erhielt. Dazu ist zu erwähnen, dass ich damals Studentin in den letzten Zügen meines Masterstudiums gewesen bin und spätestens ein Jahr darauf eh aus der Wohnung ausgezogen wäre bzw. hätte ich mit mir durchaus reden lassen, wenn mir der Vermieter zumindest ein bisschen entgegengekommen wäre und nicht nur seine Rechte, sondern auch die Rechte der Mieter:innen in dieser WG gewahrt hätte. Des Weiteren handelte es sich um eine 5-er-WG mit jeweiligen Einzelmietverträgen, d.h. zwar kann der Vermieter die leeren Zimmer nutzen, darf aber nach wie vor keine spontanen, baulichen Veränderungen in den Gemeinschaftsräumen vornehmen, ohne es mit den Mietern abgestimmt zu haben. Bei dem Vermieter handelte es sich um ein Pärchen mit 4 Kindern. Der Ort des Geschehens war eine kleinere Universitätsstadt in - man würde es wohl so gar nicht vermuten - im Herzen von Thüringen.

Während zwei der vier restlichen Mitbewohner sofort ausgezogen sind (ist nicht als Vorwurf zu verstehen, es gab gute Gründe dafür), nahm ich meine Mietrechte von Beginn an wahr und überprüfte zunächst überhaupt erstmal, was die Lage ist - auch ganz im Sinne von §14 Abs. 1 GG: Eigentum verpflichtet, auch ein neuer Eigentümer hat sich an Recht und Ordnung zu halten, selbst wenn er dabei viel Spielraum hat.

Zusammengefasst - die erste Kündigung war zunächst ungültig, weil der Vermieter noch nicht im Grundbuch stand, um überhaupt eine solche Kündigung aussprechen zu können. Des Weiteren hat er offenbar nicht damit gerechnet, dass ich in Widerspruch gehe, weil er seine Wohnung kündigte, noch bevor ich die Frist zum Widerspruch überhaupt wahrnehmen konnte. Das heißt im Umkehrschluss, er hielt an seinem ursprünglich genannten Einzugsdatum (31.07.2020) fest. Dabei bezeichnete er sich nicht nur als "neuer Mitbewohner", sondern verhielt sich leider wie einer, mit dem man aber gar nicht zusammenleben möchte - Psychoterror war nun also vorprogrammiert. In dieser Zwischenzeit wurden nicht nur unangekündigt Handwerker die Wohnungsschlüssel übergeben, Sachen vom Balkon unangekündigt entsorgt, Schlüssel für den Keller weggenommen und Klingelschild durch seinen Namen ergänzt, es folgte auch eine unangekündigte Entfernung einer kleinen Trockenbauwand in der Küche - ohne das auch jemand der restlichen Bewohner:innen vor Ort war. Selbstredend wurde der hinterbliebene Dreck nicht vollständig entfernt, man fühlte sich als Mieter in dieser Wohnung fortan nicht mehr sicher, geschweige denn zuhause. Letztlich ist er tatsächlich ab 31.07.2020 mit Sack und Pack, Kind und Kegel bei uns in die WG gezogen, obwohl nachweislich der Mietvertrag noch einen weiteren Monat gültig war (volle Mietzahlung inklusive).

Mal abgesehen von den Drohbriefen und Beleidigungen, die nicht nur ich, sondern auch alle anderen Beteiligten, die sich versuchten, dem entgegenzustellen, war dieses Vorgehen nur bedingt von Erfolg gekrönt: In einer einstweiligen Verfügung wurde ihm untersagt, bis zum endgültigen Auszug sämliche Bautätigkeiten in den Gemeinschaftsräumen zu unterlassen, d.h. beispielsweise auch Holz sägen auf dem Balkon von früh bis spät, sowie mir die vollen Umzugskosten und Mietzahlung für den restlichen Monat zu erlassen. Die Übernahme dieser Kosten sollte unter der Voraussetzung, dass ich bis Ende des Monats eine neue Wohnung habe, erfolgen. Da ich in eine der nach wie vor am stärksten wachsenden Städte umziehen wollte, war dies eine ziemliche Herausforderung, innerhalb weniger Wochen eine geeignete Wohnung zu finden. Einen Plan B hatte ich im Gepäck - so oder so; er musste zahlen, wobei er verhältnismäßig noch gut weggekommen ist, da es "nur" ein außergerichtlicher Vergleich war. Inzwischen habe ich meinen Master beendet, bin im Berufsleben eingestiegen und bin in einem Wohnprojekt untergekommen, wo mir zwar andere Herausforderungen gegenüberstehen - die Eigenbedarfskündigung ist es jedoch schon mal nicht. :)

Datum

2020-06-19

Räumlicher Geltungsbereich

Weimar

Urheber

Chompotti

Rechte

CC BY-SA 4.0

Sprache

de

Nutzungsrechte

Nutzung bis 26.09.2032 / 21:42 bestätigt